Mittwoch, 7. Oktober 2015

Mein Phantomschmerz

Spoiler voraus.
Am Sonntag habe ich Metal Gear Solid V - The Phantom Pain zu ende gespielt. Das Spiel war außergewöhnlich gut, und doch bleibe ich ein bisschen ernüchtert zurück.

Spielerisch macht MGSV fast alles richtig. Man bekommt viel Kontrolle über Snakes Bewegungen und hat über zahlreiche Gadgets und ein starkes Leveldesign viele Optionen. Ich hätte mir ein paar größere Gebäude gewünscht (man findet fast nur Zelte und Hütten vor), aber das ist schon meckern auf hohem Niveau.


Zahlreiche Level warteten darauf erkundet zu werden, die leider ab der Hälfte des Spiels repetitiv wurden... was natürlich nicht zuletzt daran liegt, dass man manche Missionen tatsächlich zweimal spielen muss. Die Spielzeitstreckung hätte MGSV wirklich nicht nötig gehabt (letztlich kam ich auf ~60 Stunden), sie hat der Spannungskurve sogar eher geschadet und ist einer meiner Hauptkritikpunkte.

Der Grund meiner Ernüchterung jedoch, ist die Story, die zwar, Kojima typisch, einige starke Momente hat, insgesamt aber nicht befriedigend ist.
MGSV sollte die Brücke zwischen Metal Gear Solid Peacewalker und Metal Gear schließen.
Aus Peacewalker kennt man Big Boss als einen Idealisten, der versucht die Bedrohung durch Nuklearwaffen zu bannen.

Im zwanzig Jahre später spielenden Metal Gear kann man in bestenfalls als Größenwahnsinnigen bezeichnen, der versucht mit militärischer Macht die Welt unter Kontrolle zu bringen.
MGSV schafft es nicht, diesen Wandel angemessen zu erklären. Big Boss setzt zwar auch hier auf eine Privatarmee, um seine Ziele zu verwirklichen, diese nutzt er aber wie in Peacewalker um eine größere Bedrohung zu bekämpfen. Am Ende des Spiels sind alle unmittelbaren Konflikte gelöst, vorausgesetzt man bezieht die gekürzte 51te Mission mit ein, womit wir beim nächsten Kritikpunkt sind.


Man merkt, dass die Entwicklung frühzeitig abgebrochen wurde. Eine relevante Mission fehlt, mehrere Teile müssen als Lückenfüller zweimal gespielt werden und mehr als genug Dialoge haben noch Verbesserungsbedarf. Besonders Snake selber hat für einen Hauptcharakter viel zu wenig Text. In manchen Situationen wirkt es schon befremdlich, wie wenig Reaktionen er zeigt.


Aber lass mich nun all diese Punkte zur Seite schieben und darüber sprechen, warum ich MGSV verdammt noch mal hervorragend finde und warum im Titel von meinem eigenen Phantomschmerz die Rede ist.

Ich hatte vorhin bereits das Vorhandensein typischer Kojima Momente angesprochen. Diese Kojima Momente sind es, die man in anderen Spielen vergeblich sucht, und die ich in seinem neusten Titel, in eben der gelieferten Qualität, erhofft hatte.

Fangen wir doch mit dem naheliegendsten an, dem Gehirn verdrehenden Twist am Ende.
Zwei kurze Cutscenes und es ist klar, ich spiele gar nicht Big Boss, sondern einen Doppelgänger. Und dann der Hideo Chop mit dem er die vierte Wand in zwei Stücke schlägt: ich spiele doch Big Boss, denn Big Boss ist die Legende die ihn umgibt, nicht die Person selber.
Was er dem Spieler damit sagt ist, du bist vielleicht nicht wirklich Big Boss, aber es geht nicht darum wer du bist, sondern was du tust. Dieses Spiel ist vielleicht nur das, aber deine Legende kann real sein.
Mein Gehirn explodiert. Einen ganz ähnlichen Trick hat Kojima schon in Metal Gear Solid 2 angewandt, aber diesmal ist die Enthüllung deutlich besser gelungen.

Wer vor ein paar Wochen den Blog zum Sonntag gelesen hat wird sich an diesen Artikel erinnern. Diese Leute machen ihre Legende real.

Quiet.
Ich mochte Quiet. Nicht wegen irgendwelcher Auftritte in Cutscenes oder ihres Chrakterdesigns, sondern wegen ihres Gameplays.
Quiet hat mir immer den Rücken frei gehalten. Sie hat mir immer die Feuerdeckung gegeben die ich brauchte, oder einfach genug Tumult verursacht, das ich unbemerkt davon schleichen konnte.
Sie war nicht wie der verdammte Hund Wolf, der mir andauernd vor die Kamera läuft und mich ständig vor Feinden warnt, ohne mir dabei zu sagen wo diese Feinde sind.
Sie war nicht wie das Pferd, das man bis auf einen schwachen Trick nur zum zurücklegen von Strecke gebrauchen konnte.

Diesen nutzlosen D-Walker will ich gar nicht erst erwähnen.
Nein, Quiet war immer eine starke Hilfe, egal was passiert ist. Deshalb mochte ich Quiet. Und dann war sie weg. Alles was mir blieb war eine einminütige Nachricht auf einer Kassette und die Erinnerung wie sie über Funk ihre Melodie gesummt hat.

Und dann war doch noch Paz.
Beziehung, sie war nicht da, wie sich herausstellte. Am Ende stellte sich heraus, dass Snake sich nur eingebildet hatte, dass Paz noch am Leben war. Genau wie er sich eingebildet hat sein fehlender Arm würde ihm immer noch Schmerzsignale übermitteln.

Ich bin zusammen mit ihm auf den Trick reingefallen, da auch ich es besser gefunden hätte, wenn sie noch am Leben wäre.

Als ich den Titel The Phantom Pain das erste mal gelesen habe, dachte ich, Kojima meine damit Snakes fehlende Hand. Erst am Ende des Spiels begreife ich die ganze Bedeutung des Titels. Und wieder einmal begreife ich, dass Kojima ein verdammtes Genie ist, und dass das Medium Videospiel noch so viel mehr an Potential hat, als die Industrie benutzt.


Um nun meine Gedanken zum finalen Metal Gear zusammenzufügen:
Metal Gear Solid V - The Phantom Pain ist ein Spiel mit Höhen, Tiefen und einem unbefriedigendem Ende.

Die Tiefen sind lang und haben ein Spiel, das auch locker in 30 Stunden hätte erzählt werden können, auf das Doppelte aufgebläht. Dafür sind die Höhen umso höher und machen den Titel zu einem der Eindrucksvollsten, die ich kenne.
Das bittersüße Ende interpretiere ich als Metapher für die ganze Metal Gear Saga. In Metal Gear ging es nie um Friede Freude Eierkuchen. Es ging immer darum für seine Ideale Opfer zu bringen und zu kämpfen, und darum dass man eben nicht glücklich und zufrieden bis ans Ende seiner Tage lebt.

Danke für die Lehrstunde in Gehirnverdrehen und Game Design.
Danke für die ganze lange Metal Gear Saga und den bittersüßen Phantomschmerz am Ende.
Danke Hideo Kojima.

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